Woher kommt die
"One Note Samba"? Die einstimmigen liturgischen Gesänge der katholischen Kirche sind die Basis, auf der die Entwicklung unserer, der "abendländischen" mehrstimmigen Musik gründet. Ich habe versucht, "moderne" Akkord- und Rhythmusmodelle verschiedener Art zu unterlegen und war überrascht: Vom Soft-Rock über Latin, Minimalistisches und Techno scheint alles zu passen. Auch zwei Gesänge der Hildegard von Bingen sind auf dieser CD. Und was würde Benedikt XVI. wohl dazu sagen? Kurier, 29.06.06 (pdf). |
7.4.2005: Improvisierte Gedenkstätte bei der Wiener Gardekirche | Evangelium Matthäus 21, 10-17 - der Vorläufer des "One Note Samba"? - Gesang: Consortium Vocale Oslo. Solist: Kjell Viig http://www.consortiumvocale.no/default.asp O pulchrae facies (Hildegard von Bingen). Ensemble "Sequentia" In monte Oliveti (Responsorium). Gesang: Singphoniker
Alleluja, gesungen von der Mönchsschola St. Ottilien (D),
rhythmisch-harmonisch "angereichert", gedeutet. |
Und wie bin ich drauf gekommen?
Ostern 2005: Papst Johannes Paul II., von seinen Erkrankungen schwer gezeichnet, versucht wenigstens
den traditionellen Ostersegen "urbi et orbi" persönlich zu erteilen. Nach einem Kehlkopfschnitt
hatte er sich mit Sprechübungen darauf vorbereitet. Der Vorhang seines Zimmers öffnete
sich, die Hand
bewegte sich, die Stimme versagte. Die Medien meldeten: "Stummer
Segen". Wenn er nur stumm geblieben wäre. Aber das Vatikanische Mikrophon
hat es weltweit übertragen: das leise schnarrende Röcheln statt der Stimme war unüberhörbar. Das war der größte
Schock für die Gläubigen am Petersplatz, die naiv gehofft hatten, irgend
wie werde er das über die Runden bringen, wie schon in den vorangegangenen
Jahren. Die unsichtbaren Helfer des Papstes reagierten, wohl selbst schockiert,
unmittelbar, zogen in der richtigen Reihenfolge das Mikrophon zur Seite, den
Papst im Rollstuhl zurück und die weißen Vorhänge zu. Die
Berichterstattung bis zum Bestattungsbericht brachte Scharen adrett
herausgeputzter
Kardinäle in wohlgeordneten Reihen ins Bild, sowie wartende Pilgerschlangen,
eigentlich "Flächen", die
Abschied nehmen wollen, nicht vom Papst, sondern von seinem
einbalsamierten (wie ging das so schnell?) Leichnam, in voller Ausgehuniform
samt Hirtenstab.
Choräle, Choräle, mehr Zeichen als Musik, zeremonieller Bestandteil und akustischer Background. Von diesen Chorälen hat die Entwicklung der europäischen Musik, eines wichtigen Segments auch unserer Identität, ihren Ausgang genommen. Ich bin fast sicher, dass der Sterbende zwischen Wachdenken und schwächebedingten Phantasien und Träumen weniger mit seinen Ängsten beschäftigt war als mit Empfindungen und Ausdrucksversuchen seines letzten, großen, innigen Dankes für ein geglücktes Leben, bei dessen Ende wie bei keinem Menschen je zuvor die ganze Welt "Zaungast" sein konnte. Wojtyla-Gedenkstätten sprossen weltweit im Schatten der Kirchen (siehe oben); Kerzen-, Devotionalien- und Blumenaktien stiegen vermutlich sprunghaft im Wert.
Pilger, die sich nicht rechtzeitig in die Warteschlange gestellt hatten, wurden abgewiesen, gute und wichtige, aber gläubige wie ungläubige Staatsoberhäupter wurden per Hubschrauber eingeschleust, ergatterten die besten Plätze, etwa George Dabbelju Bush, dessen größtes Problem offenbar war, dass er unweit des iranischen Präsidenten Khatami sitzen sollte. Die beiden Achsen - des guten und des Bösen - könnten wohl ununterscheidbar und vertauschbar werden. Allah bewahre! Und China beschwerte sich über die Anwesenheit eines Vertreters von Taiwan. Wenn sich diese Leute wenigstens einmal die Hand gäben und ein paar belanglose Floskeln mit einander wechseln würden, würde das schon viel zur Entspannung beitragen. Immerhin, das entnahm ich der Zeitung vom 9. April: Einige wenige haben diese Chance wahrgenommen, etwa die Präsidenten von Syrien und Israel. Der nächste Papst sollte das testamentarisch für das Zeremoniell seiner Bestattung festlegen: Verfeindete sollen einander die Hand geben, etwas sagen. Oder er könnte eine Besetzung in aller Stille, ohne Millionenrummel und weltweite Übertragungen anordnen.
Übrigens bot man den von Leichenbetrachtung und Begräbnis Ausgeschlossenen doch noch ein Zuckerl: Nach dem Begräbnis bleibt Millionen von Pilgern Zeit, das Grab des "Pontifex maximus" zu besuchen. Kirchtag- und Tourismuseffekte sind von biographischer und religiöser Ergriffenheit nicht loszulösen. Geschäfte erblühen rund um den Tod - Jesus hätten diesen Krämern wohl ihren Krempel umgeworfen. Für seine Nachfolger war das offenbar nie ein Problem ...